Die GEAS-Reform: Menschenrechtsverletzungen an EU-Außengrenzen

Mit der GEAS-Reform wurde am 10. April 2024 im EU-Parlament für eine Asylrechtsreform gestimmt, die über 50 Menschenrechtsorganisationen und über 700 Jurist*innen alarmiert hat.

 

Um über die rechtlichen und praktischen Auswirkungen und Veränderungen durch diese Reform zu sprechen, luden wir am 05.06.2024 zur Veranstaltung: „Grenzen der Menschlichkeit – Die GEAS-Reform, Menschenrechtsverletzungen an EU-Außengrenzen“. Zu Gast waren Wiebke Judith, die rechtspolitische Sprecherin von ProAsyl, Laura Kaiser vom Bündnis „Sachsen muss aufnehmen“ und Yousef Barghouth von der Initiative „Zeugen der Flucht“.

 

Zu Beginn gab Wiebke Judith einen historischen Rückblick über die Entwicklung der Reform, politische Stimmen während der Konzept Entwicklung und schließlich über Entscheidungsprozesse. Erschütternd war der Satz: „Schlussendlich haben fünf übermüdete Politiker, nach 18h Konferenz, morgens um 5, über die Zukunft und das Schicksal von Schutzsuchenden an Europas Grenzen entschieden.“

Judith sprach weiter über die Änderungen des Asylsystems, angepasste Screening und (Asyl)Grenzverfahren und Abschiebungsgrenzverfahren. Außerdem erklärte sie, wo die Gefahren für Push-Backs (illegale, häufig sehr gewaltvolle Rückführen auf die andere Grenzseite) besonders groß sind und welchen Einfluss die Reform auf die Situation an den Grenzen haben wird. Zum Beispiel, dass Menschen länger und unter widrigeren Bedingungen an Grenzen festgehalten werden dürfen. 

Judith erklärt: Dass es zu diesen problematischen Reformen gekommen sei, liege vor allem daran, dass diese Fluchtbedingungen, der konkrete politische Wille, vieler europäischer Regierungen sei.

Um den rechtlich-theoretischen Input empirisch zu unterlegen, erzählte Laura Kaiser über ihre Erfahrungen an der bosnisch-kroatischen Grenze, wo die Regierung systematisch alte leerstehende Häuser zerstört, um Menschen auf der Flucht zu zwingen im weit außerhalb gelegenen Camp Lipa zu leben. Sie berichtete über die schweren Bedingungen in den Lagern und die häufig tödlichen Versuche, die Grenze nach Kroatien zu überqueren. Dabei werden Menschen, Frauen, Kinder vergewaltigt, ohne Kleidung im Wald zurückgelassen oder durch tiefe Flüsse getrieben. Als Dokumentation für Menschenrechtsverletzungen und Push-Backs dient, dass „BlackBook“, in welchem Menschenrechtsorganisationen Gespräche, Taten, Orte und Uhrzeit dieser Gewalttaten dokumentieren. Zunehmend seien Pushbacks auch an der polnisch-deutschen und vor allem der polnisch-belarussischen Grenze zu beobachten. Erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeit von Aktivist*innen und Journalist*innen vor Ort, durch die zunehmende Kriminalisierung massiv eingeschränkt wird. 

Im Anschluss erzählte Yousef Barghouth seine ganz persönliche Geschichte. Er sprach darüber, wie er aus Syrien geflohen sei, es in Booten in die Türkei schaffte, die Sprache lernte, aber keinen Schutz und keine Perspektiven sah. Er floh nach Bulgarien und konnte mit einem bulgarischen Reisepass und einem angeblichen Rückflug nach Zagreb nach Deutschland fliegen. Auf die Frage, was an den Prozessen und der Integration hier in Deutschland anders sei als in der Türkei, antwortet er: „Anders als in der Türkei, gibt es hier Rechte. Es gibt zwar auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, aber man hat hier auch Rechte“.

An unser Podium wurden viele Fragen gestellt, wie man jetzt dieser Reform noch entgegenwirken könnte, ob es irgendeine Beispielgrenze gäbe, die noch unseren menschenrechtlichen Vorstellungen entspricht und was dieser Reform eigentlich rechtlich und zivilgesellschaftlich noch entgegengehalten werden kann. 

Wir bedanken uns herzlich bei diesen tollen und Gästen und dem sehr aktiven Publikum und hoffen durch unsere Veranstaltung dem Thema noch mehr Öffentlichkeit geben zu können.