Im Visier: Spionage und Techniken von Nachrichtendiensten enthüllt in Erfurt

Nachrichten– und Geheimdienste umweht häufig ein Hauch von Unnahbarkeit und Mysterium. Die Arbeit spielt sich meist im Verborgenen ab und was sie überhaupt machen und wer da agiert bleibt unklar.

Was machen diese Dienste eigentlich? Wie beschaffen sie sich ihre Informationen? Wie viele Nachrichtendienste gibt es in Deutschland? Wer sind wichtige Akteure und was hat eigentlich der Begriff „Intelligence“ mit all dem zu tun? All diese Fragen und mehr sollten bei unserem Stammtisch am 08.04.2024 beantwortet werden, bei welchem HSG-Mitglied Daniil Sidorov eine Einführung ins Thema gab. 

 

Zunächst einmal wurde das Studienfach der Intelligence kurz erklärt. Die Intelligence Studies betrachten als Forschungsgegenstand Nachrichtendienste und ihre Handlungen. Das Studienfach entwickelte sich aus den Disziplinen der Internationalen Beziehung und den Politikwissenschaften. Der Begriff der „Intelligence“, umfasst dabei den Prozess, Informationen zu sammeln, die daraus gewonnen Daten zu vernetzen und sie auf die Fragestellung des Auftraggebers hin zu interpretieren. Die durch diesen Prozess, auch Intelligence Cycle genannt, gewonnene Intelligence wird in dieser funktionalistischen Sichtweise für einen Auftraggeber produziert, um zu informierteren Entscheidungen beizutragen. Auftraggeber für staatliche Nachrichtendienste sind auf Grundlage der einschlägigen Gesetze meist die Regierung, während es aber auch einen immer größer werdenden Markt für nicht-staatliche Intelligence-Dienstleistungen gibt.

 

Daniil erläuterte außerdem verschiedene Methoden der nachrichtendienstlichen Beschaffung, darunter „HUMINT“ (Angaben von menschlichen Auskunftspersonen), „OSINT“ (die Sammlung von frei verfügbaren Daten) und „SIGINT“ (technische Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs). In diesem Zug wurde deutlich: Zwischen deutschen Nachrichtendiensten wie dem BND und Nachrichtendiensten anderer Staaten gibt es große Unterschiede, was die Aufgaben und Erwartungen durch die auftraggebende Regierung und Befugnisse angeht. Gesetzlicher Auftrag der deutschen Nachrichtendienste ist das Sammeln und Auswerten von Informationen. Der dem Bundeskanzleramt unterstehende BND sammelt als Auslandsnachrichtendienst Informationen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind. Die anderen Nachrichtendienste des Bundes sind der Militärische Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Bundesländer verfügen mit den Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV) über eigene Verfassungsschutzbehörden.

 

Welche Kompetenzen Nachrichtendiensten zugeschrieben werden und wie oder wer sie kontrolliert, ist also sehr Staats – und kontextabhängig. In Deutschland, unterliegt die nachrichtendienstliche Tätigkeit des Bundes, der Kontrolle des Deutschen Bundestages und seiner Gremien. Außerdem findet eine Kontrolle durch die G 10-Kommission, und Gremien wie den Unabhängigen Kontrollrat, Gerichte, etc. statt. 

 

Warum gerade in Deutschland die Kontrolle der Nachrichtendienste so hochgeschrieben wird, konnte Daniil mit einem kleinen Exkurs in die Intelligence History beantworten. So sprachen wir zum Beispiel über das sog. „Trennungsgebot“ von Nachrichtendiensten und Polizei, welches vorschreibt, dass in Deutschland Nachrichtendienste ausschließlich Informationen zusammentragen und auswerten, aber keine exekutiven Befugnisse haben, wie etwa Verhaftungen vorzunehmen. Die Trennung von Nachrichtendienst- und Polizeibehörden ist in Deutschland insbesondere historisch durch den übermächtigen Sicherheits- und Terrorapparat des Nazi-Regimes begründet. Das Trennungsgebot wird daher als Instrument benutzt, um einen demokratiefeindlichen Missbrauch der Nachrichtendienste zu vermeiden.

 

Im Anschluss an Daniils Input diskutierten wir die historischen Vorbehalte gegenüber den deutschen Nachrichtendiensten aufgrund des Nationalsozialismus, der Tätigkeiten der Organisation Gehlen (Entstehung 1946) und Reinhard Gehlen selbst. Daraufhin bewegte sich die Diskussion vom Aufbau der Organisation Gehlen durch die Hilfe der Amerikaner zu internationalen Nachrichtendienstkooperation.

Damit leitete das Ende der Veranstaltung perfekt über zur nächsten Veranstaltung der HSG zu Nachrichtendiensten, bei der diese stärker als internationale Akteure und mit einer eher soziologischen Brille in den Blick genommen werden.

 

Wir danken Daniil Sidorov ganz herzlich, für die Vorbereitung der Veranstaltung und den spannenden Einblick und freuen uns auf weitere Diskussionen und Beiträge.