„Ressource Wasser und Wasser-Governance“ – Ein Interview mit Frau Barbara Gerhager

Nachdem die BSH-Community darüber abgestimmt hat, mehr über die Ressource Wasser zu erfahren, haben wir mit Frau Barbara Gerhager als Leiterin des Kompetenzzentrums „Wasser, Abwasser, Abfallwirtschaft“ bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Interview geführt und nachgefragt...

BSH: Wie sieht die globale Wasserversorgung von Menschen aus?

 

Gerhager: Global haben 2.2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, die meisten von ihnen leben in ländlichen Gebieten. 3.4 Milliarden Menschen haben keinen angemessenen Zugang zu sanitärer Grundversorgung, wobei sich die Situation vor allem in den Städten verschlechtert. Hinzu kommt, dass die Hälfte der Weltbevölkerung, also fast 4. Milliarden Menschen, saisonal unter akuter Wasserknappheit leidet und ein Viertel der Weltbevölkerung extremem Wasserstress ausgesetzt ist. Wasserstress in dem Sinne, dass der Mensch entweder mit einem längeren Fehlen der Ressource in Form von Dürreperioden oder mit ihrem Überfluss in Form von Überschwemmungen zu kämpfen hat. Beide Formen des Wasserstresses haben eine Belastung der Infrastruktur zur Folge, so dass z.B. im Falle eines Hochwassers die Infrastruktur in einigen Gebieten, die nicht an starke Niederschläge gewöhnt sind, letztlich nicht in der Lage ist, die Wassermassen aufzunehmen.

 

BSH: Die GIZ und insbesondere das von Ihnen geleitete Kompetenzzentrum setzten auf das Konzept der Wasser-Governance, um die Wasserversorgung weltweit zu verbessern. Was ist Wasser-Governance?

 

Gerhager: Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit, die sich an den OECD-Good-Governance-Prinzipien orientiert, konzentriert sich auf mehrere Aspekte: Es geht um das Menschenrecht auf Wasser, Legitimität, Transparenz, Rechenschaftspflicht, Rechtsstaatlichkeit und Inklusivität. Ziel ist eine nachhaltige, integrierte und integrative Wasserversorgung zu akzeptablen Kosten und in angemessener Zeit. Um dies zu gewährleisten, bedarf es eines effizienten und transparenten Ressourcen-Managements, d.h. eines institutionellen und ökonomischen Umgangs mit Wasser: Wasser-Governance. Konkret bedeutet dies, Ministerien, Kommunalverwaltungen oder Regulierungsbehörden bei der Festlegung der rechtlichen Rahmenbedingungen und beim Aufbau geeigneter Verwaltungsstrukturen zu unterstützen und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, um dem Misstrauen der Bevölkerung gegenüber staatlichen Institutionen entgegenzuwirken. Letztlich ist eine schlechte Wasser-Governance für eine ineffiziente und ineffektive Ressourcen-Management von Wasser verantwortlich.

 

BSH: Gibt es auf der operativen Ebene seitens der GIZ Indikatoren, die die Arbeit mit Partner:innen in den Projekten vor Ort begünstigen?

 

Gerhager: Grundsätzlich operiert die GIZ als Durchführungsorganisation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und nachhaltige Entwicklung. Als gemeinnütziges Bundesunternehmen unterstützen wir aber nicht nur das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), sondern auch andere Ressorts der Bundesregierung bei der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung. Die Ansätze und Methoden der GIZ sind Beratung und Projektdurchführung, internationale Kompetenzentwicklung, Vernetzung, Dialog, Mediation und Managementlogik. Im Wassersektor führt die GIZ 74 Projekte in 50 Ländern durch. Indikatoren sind letztlich dazu da, eine Veränderung zu messen, aber da jedes Projekt sehr kontextspezifische Lösungen erfordert, gibt es nicht den einen Indikator. Wir haben uns zwar mit dem BMZ auf Standardindikatoren geeinigt, die für die Kommunikation mit der Bevölkerung genutzt werden, um so etwas wie eine verbesserte Sanitärversorgung oder Ähnliches sichtbar zu machen. Letztendlich geht es aber immer darum, sehr kontextspezifisch zu schauen, was ist das Thema in diesem Land und vor Ort Capacity Development mittels Wasser-Governance zu fördern. 

 

BSH: Welche Erkenntnis lässt sich aus dem Wasser-Energie-Nahrungsmittel-Ökosystem-Nexus für die Arbeit der GIZ ableiten?

 

Gerhager: Der Nexus betont, dass die Sicherung der Wasserversorgung eng mit den Sektoren Energie und Ernährung verbunden ist. Vor dem Hintergrund von Versorgungsengpässen und Ressourcenknappheit müssen die Bewirtschaftung der Wasser-, Energie- und Landressourcen, die Versorgung der Menschen und der Schutz der Umwelt sektorübergreifend geplant und umgesetzt werden. Es reicht also nicht aus, nur an einer Stellschraube zu drehen, sondern man muss letztlich gemeinsam anpacken und eine sektorübergreifende, ganzheitliche Lösung finden, um die Versorgungssicherheit, wie etwa die von Wasser, zu gewährleisten. Operativ bedeutet dies, dass wir auf verschiedenen Ebenen d.h. Auf kommunaler, nationaler oder regionaler Ebene bewegen und mit dort sektorübergreifend die Sicherung der Wasserversorgung gewährleisten wollen.

 

BSH: Inwieweit hat das Thema Wasser international an Bedeutung gewonnen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel?

 

Gerhager: Was der Energiesektor für die Minderung der Treibhausgasemissionen, die Mitigation, ist, ist der Wassersektor für die Anpassung, d.h. Wasser ist der zentrale Sektor, wenn es um Klimaanpassung geht. Wir werden die Klimaziele nicht mehr erreichen, umso wichtiger ist es, dass wir in die Anpassung gehen. Vor diesem Hintergrund erwarte ich mehr Mittel für das Thema Wasser. Auf der Ebene der Vereinten Nationen hat das Thema bereits wieder an Aufmerksamkeit gewonnen. Nach 46 Jahren fand im letzten Jahr die zweite UN-Wasserkonferenz statt, die wir für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im Vorfeld in den Bonn Water Dialogues for Results mit vorbereitet haben, um das SDG 6 „Sauberes Wasser und Sanitärversorgung“ beschleunigt und sektorübergreifend umzusetzen. Mit der Einberufung eines Sonderbeauftragten für Wasser, der Vorlage von über 700 freiwilligen Selbstverpflichtungen, die in der Water Action Agenda zusammengefasst wurden, und der Planung von zwei weiteren UN-Wasserkonferenzen für 2026 und 2028 ist es der Konferenz gelungen, das Thema Wasser wieder höher auf die Agenda zu setzen.

 

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Das Interview mit Frau Barbara Gerhager wurde am 11. Juli 2024 von Georg Tannen geführt.