Veranstaltungsbericht: Die Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik nach der Europawahl

Angesichts der durch Russland bedrohten ‚Grauzonen-Staaten‘ Ukraine, Georgien und Moldau, die noch keinem westlichen Bündnis angehören, aber EU-Beitrittskandidaten sind, lautete die Leitfrage des Abends: "Die Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik nach der Europawahl: Kurswechsel oder 'business as usual'?"

Im Vorfeld der Europawahl haben wir uns zu einem Kneipengespräch mit dem am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn tätigen Europaexperten Julian Plottka getroffen. Herr Plottka ist außerdem seit 2019 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Jean-Monet-Chair for European Politics der Universität Passau. Neben seiner Lehrtätigkeit ist er auch beratend tätig für mehrere europäische politische Akteure und Persönlichkeiten.

Zu Beginn der Veranstaltung ordnete Herr Plottka zunächst die aktuellen Prognosen der Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes ein und besprach die Koalitionsoptionen und die potentielle Besetzung von für unsere Fragestellung relevanten Posten innerhalb der kommenden Kommission. Grundsätzlich hat das Europäische Parlament bei der Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik nur wenige Kompetenzen.


Da zentrale intergouvernementale Entscheider wie der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz interne Reformen zu einer Vorbedingung einer erneuten EU-Erweiterung machen, diskutierte Herr Plottka mit uns die Auswirkungen der vergangenen Erweiterungsrunden auf die europäischen Arbeitsprozesse. Hinsichtlich möglicher EU-Reformen wurden beispielsweise negative Konditionalität im Beitrittsprozess thematisiert. Dies geschah auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen auf dem Balkan.
Vor diesem Hintergrund wurden auch die möglichen Risiken einer fortschreitenden EU-Erweiterung diskutiert. Dabei ging es vor Allem darum ob es zu einer Zersplitterung der EU kommen könnte, sollten einzelne EU-Staaten wie zum Beispiel Ungarn, sich zu Autokratien entwickeln.


Bezugnehmend auf unsere Fragestellung fiel Herr Plottkas Einschätzung zur künftigen Entwicklung der EU Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik aber eher verhalten aus. Weder eine weitreichende EU-Reform, noch eine rasche Erweiterung könnten innerhalb der kommenden Wahlperiode erwartet werden. Insbesondere der Ukraine sei die Anpassung an den Acquis communautaire und die Bekämpfung von Korruption allerdings absolut zuzutrauen; schließlich habe sich die dortige Zivilgesellschaft schon seit 2014 als pro-europäisch und resilient erwiesen. Hinzu kommt der Aspekt, dass seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine eine signifikante Anzahl von Geflüchteten das Leben innerhalb der EU kennengelernt haben und somit vermutlich eine noch größere Bereitschaft der Zivilbevölkerung besteht sich als Land in diese einzugliedern.


Wir bedanken uns für die angeregte und interessante Diskussion, ebenso wie das zahlreiche Erscheinen so vieler interessierter Studierende.