Veranstaltungsbericht: Gastvortrag von Ralf Willinger zu Kindersoldat*innen

Am 11. Juni 2024 hatten wir das Privileg, Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte und Referent bei Terre des Hommes, bei uns begrüßen zu dürfen! Im Rahmen der Tübinger Menschenrechtswoche hielt er einen eindrücklichen Vortrag zu Kindersoldat*innen und Kindern im Krieg. Hier nun ein ausführlicher Veranstaltungsbericht.

„Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“ Mit diesem Zitat des Schriftstellers Erich Maria Remarque beginnt unser eingeladene Gastreferent Ralf Willinger seinen Vortrag in Tübingen. In diesem Vortrag wird er über Personen sprechen, die zwar an Kriegen teilnehmen, bei denen es aber zugleich aus rechtlicher Perspektive verboten ist, sie in den Krieg zu schicken. Doch wer sind diese Personen? 

Bei diesen Personen handelt es sich um Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Nach dem am 12. Februar 2002 in Kraft getretenen Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention ist die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten nämlich untersagt. Dabei geht es nicht nur darum, dass Kinder als Soldat*innen eingesetzt werden, sondern es geht auch um Tätigkeiten, mit denen sie Armeen und bewaffnete Gruppen unterstützen, wie zum Beispiel Spionieren oder Kochen für die Kämpfenden. Trotz diesem weltweit anerkannten Verbot werden in rund 22 Ländern Kinder in unterschiedlichen Funktionen von Streitkräften und bewaffneten Gruppen in Kriegen eingesetzt. Über diesen rechtswidrigen Einsatz von Kindern im Krieg, wie dieser Rechtsbruch verhindert werden kann und was bereits für einen besseren Schutz von Kindern im Krieg unternommen wird, darüber spricht Ralf Willinger in seinem Gastvortrag „Erhebt eure Stimme! Kindersoldat*innen und Kinder im Krieg“. Ralf Willinger ist Referent bei der Kinderrechtsorganisation terre des hommes und beschäftigt sich dort mit dem Schutz von Kindern in Kriegsgebieten und vor der Rekrutierung durch Armeen sowie bewaffnete Gruppen. Dadurch ist er ein anerkannter Experte zum Thema Kindersoldat*innen.  

Anlass für uns als Vorstand des BSH Tübingen, Ralf Willinger für einen Gastvortrag einzuladen, war das Motto der diesjährigen Menschenrechtswoche in Tübingen „Krieg, Klima, Krise: Kinderrechte? Ihre Zukunft, unsere Verantwortung!“. Mit diesem Motto wird im Rahmen verschiedener Veranstaltungen an das 35-jährige Jubiläum der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention gedacht. Durch den Gastvortrag des Experten Ralf Willinger möchten wir darauf aufmerksam machen, inwiefern Kinderrechte in Kriegen noch heute trotz UN-Konventionen verletzt werden, und einen Denkanstoß geben, wie Kinderrechte besser geschützt werden können. 

Rund 30 Zuhörende haben für diesen Vortrag den Weg zum Institut für Politikwissenschaft in Tübingen gefunden. Sichtlich bewegt lauschen sie den Einzelschicksalen von Inncoent und Yina, die Ralf Willinger über kurze Videobeiträge im Interviewformat vorstellt. Yina war in Kolumbien Teil der FARC-Rebellen. Innocent war für drei Monate Teil der Lord Resistance Army einer bewaffneten Gruppe, die in verschiedenen Staaten Zentralafrikas operiert. In einem der Interviews erzählt Innocent, wie er vor Ort mit dem deutschen G3-Gewehr das Schießen gelernt hat und dass die Erlebnisse bei der Lord Resistance Army ihn bis heute prägen. So musste er mitansehen, wie ein Teil der Kinder, die mit ihm entführt wurden, durch das militärische Training der Gruppe starben. Ralf Willinger ergänzt dazu, dass die meisten Kindersoldat*innen im Zuge ihrer Tätigkeiten sterben. Erwachsene wie Innocent und Yina, die über ihre Zeit als Kindersoldat*innen berichten können, seien selten. 

Die Geschichten von Innocent und Yina sind aber keine Einzelfälle, betont Willinger, denn weltweit gibt es rund 250 000 Kindersoldat*innen. Sie werden von Armeen und bewaffneten Gruppen durch scheinbar lukrative Angebote oder Drohungen rekrutiert und dann oft durch Drogen gefügig gemacht. Wer erst einmal in die Fänge dieser Akteure gelangt sei, der könne dem nicht mehr so leicht entkommen, so Willinger. 

An der ein oder anderen Stelle kommen während des Vortrags Fragen aus dem Publikum auf. Beispielsweise, warum die Rekrutierung von Kindern attraktiv ist. Willingers Erklärung, Kinder seien günstiger als Erwachsene und einfacher zu manipulieren. Darüber hinaus finde die Rekrutierung von Kindern oft dann statt, wenn bereits alle verfügbaren Erwachsenen rekrutiert worden sind und das dortige Rekrutierungspotenzial somit ausgeschöpft ist. An anderer Stelle wird gefragt, wie die Rekrutierung von Kindern verhindert werden kann. Hier spiele Aufklärung vor Ort eine zentrale Rolle. Diese betreffe nicht nur die Kinder, sondern auch Armeen und bewaffnete Gruppen, denen zumindest früher oft nicht bewusst gewesen sei, dass die Rekrutierung von Kindern verboten ist, so Willinger. Heute erfahre das Phänomen Kindersoldat*innen zudem mehr internationale Aufmerksamkeit und das sei ein wichtiger erster Schritt, damit die Rechte von Kindern gewahrt werden. 

Wir freuen uns, dass wir mit diesem Vortrag unseren Teil dazu beitragen konnten, das Problem bekannter zu machen. Der Vorstand des BSH Tübingen bedankt sich bei Ralf Willinger für den informativen, kritischen und nachdenklich stimmenden Vortrag und die Beantwortung unserer vielen Fragen!  

 

An dieser Stelle möchten wir gerne die Rote-Hand-Aktion von Terre des Hommes erwähnen, an der Gruppen und Initiativen teilnehmen können, um auf die Problematik und Rechte von Kindersoldat*innen aufmerksam zu machen. Weitere Infos gibt es unter http://www.redhandday.org/

 

Wer gerne aktiv werden oder spenden möchte, findet außerdem auf der Website von Terre des Hommes weitere Infos.